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Warum auch Mädchen mit Baggern und Jungs mit Puppen spielen dürfen

Für das Mädchen das Prinzessinnenhaus, für den Jungen die Eisenbahn oder das Auto: Kinder haben oft Spielzeug, das für ihr Geschlecht typisch ist. Doch wie kommt das eigentlich? Denn auch Mädchen können sehr wohl mit einem Bagger und Jungs mit einer Puppe spielen. Es spricht nichts dagegen.

Das Spielen ist für Kinder wichtig. Nicht nur, weil es Spaß macht und schön ist. Spielen ist auch aus anderen Gründen von großer Bedeutung. So üben Kinder zum Beispiel beim Spielen ihre motorischen Fähigkeiten. Sie greifen gezielt nach Gegenständen und bewegen sie. Sie lernen ihre Umwelt kennen und können sie dann besser einschätzen. Sie erfahren, wie Dinge funktionieren.

Lebenswelten entdecken
Beim Spielen lernen Kinder also. Eltern wissen das und kaufen daher bereits Babyspielzeug. Oder aber Kinder bekommen Holzspielzeug, mit dem sie Burgen bauen oder Kugeln rollen lassen können. Gespielt wird bekanntlich nicht nur allein. Gerade mit mehreren zusammen wird viel gelernt – zum Beispiel, dass wir auch mal verlieren und nicht immer gewinnen. Auch Rollenspielzeug ist sehr zu empfehlen, denn so können Kinder Arzt oder Abenteurer sein und neue Lebenswelten für sich entdecken.

Oft klischeehaft
Mit dem Spielen bauen Kinder Selbstbewusstsein auf und bereiten sich auf ihre Zukunft vor. Allerdings spielen Kinder oft sehr klischeehaft. Mädchen wünschen sich also eher das rosafarbene Prinzessinnenkostüm und Jungs sind gern Superman oder Pirat. Schon von klein auf gibt es hier offenbar genaue Vorstellungen. Jungen sitzen auf dem Spielplatz auch voller Freude mit dem Bagger im Sandkasten, während Mädchen gern Sandkuchen backen oder ihre Puppe füttern. Auch bei den Wünschen lässt sich erkennen, dass Spielzeug sehr bewusst geschlechtstypisch ausgewählt wird. Jungs hoffen auf Holzfahrzeuge, Mädchen auf eine Spielpuppe. Selbst wenn Eltern jede Art von Kinderspielzeug anbieten, sind diese Präferenzen dennoch zu beobachten.

Verschiedene Theorien
Wie kommt das? Forscher haben verschiedene Theorien dafür. Sie gehen mitunter davon aus, dass die unterschiedlichen Spielvorlieben angeboren sind. Die Kinder sind im Mutterleib sogenannten Androgenen ausgesetzt. Das sind zum Beispiel Hormone wie Testosteron. Daneben glauben Forscher, dass Kinder ihre Eltern oder andere Bezugspersonen nachahmen. Mädchen nutzen dann beispielsweise eine Spielküche, weil Mama kocht. Jungen werken gern, weil Papa renoviert und repariert. Diese Unterschiede beim Spielen können daneben auch über Bestätigung entstehen, sagen Experten. So freuen sich Väter beispielsweise, wenn ihr kleiner Junge eine Rennbahn haben will oder mit Rittern spielt. Sie empfinden es als normal. Anders erscheint es, wenn ein Junge eine Puppe frisiert oder eine Barbie haben will. Dies macht manche Eltern mitunter immer noch stutzig.

Auch Jungs können mit Puppen spielen
Allerdings muss das gar nicht sein. Denn Kinder sollten sich frei entwickeln dürfen und auf die ganze Palette an Spielzeug zugreifen können. Spielen Jungen beispielsweise mit einer Puppe, dann lernen sie eine Bandbreite an Dingen, die später wichtig sind. Sie üben zum Beispiel, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse zu sehen. Die Puppe hat vielleicht Hunger, sie will umgezogen, gekämmt, gekuschelt und vielleicht sogar gewickelt werden. Mädchen wie Jungen spielen damit kreativ, denn mit der Puppe können die unterschiedlichsten Szenen erdacht werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Außerdem gibt eine Puppe Geborgenheit, denn mit ihr können Kinder auch kuscheln. Beliebt sind besonders sogenannte Empathiepuppen. Diese sind recht groß, ähneln einem Kind stark und werden daher auch gern in der Therapie eingesetzt. Mit ihnen können Kinder sich in die Rolle des anderen gut hineinversetzen.

Fürs handwerkliche Geschick
Was für Jungen gilt, gilt übrigens auch für Mädchen. Sie dürfen natürlich ebenfalls die komplette Palette an Spielzeug haben. Eltern sollten hier nichts vorgeben. So schulen sie beispielsweise ihre handwerklichen und technischen Fähigkeiten, wenn sie einen Kinder-Schraubendreher wie den Dusyschrauber kriegen oder mit einer Laubsäge Figuren aussägen.

Eltern als Vorbilder
Da Kinder ihre Eltern als Vorbilder haben, kann es übrigens sein, dass Jungen sich vielleicht eher für Puppen interessieren, wenn der Vater liebevoll und selbstverständlich das Geschwisterchen wickelt und füttert. Und ein Mädchen interessiert sich vielleicht eher für Autos, wenn die Mama regelmäßig fährt. Forscher sagen: Kinder haben schon vor über 50 Jahren klischeehaft gespielt. Damals galt das als völlig normal und gesundes Verhalten. Kinder übten damit Fertigkeiten, die sie später in ihrer Rolle als Mann oder Frau brauchen, glaubten die Menschen damals. Heute hingegen wird dies oft lockerer gesehen. Menschen wünschen sich, dass der kleine Junge später als Vater beim Baby mit zupackt und auch Frauen beruflich und privat alle Wege offenstehen. Manche stören sich sogar daran, wenn Spielzeug zu sehr auf die Geschlechterrolle ausgerichtet ist.

Judith Roth