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Kinder an die Macht! Was wir von den Jüngsten lernen können

Erwachsene sollen Kindern ein Vorbild sein. Das stimmt sicherlich. Aber es gibt eine Menge, was wir uns von den lieben Kleinen abschauen können. Neugier, Gelassenheit und Toleranz – all diese Eigenschaften kommen im Alltag manchmal abhanden. Gut, dass uns unsere Kinder immer wieder daran erinnern.

Für Kinder ist die Welt ein riesiger Abenteuerspielplatz, den sie entdecken wollen. Voller Wissensdurst und Tatendrang springen sie morgens aus dem Bett, bereit Neues zu erkunden. Wir dagegen werden oft durch Verpflichtungen, äußere Regeln und Erfahrungen gebremst. Natürlich sind wir mit den Jahren weiser geworden. Einige Ängste und Vorbehalte haben sich aus gutem Grund entwickelt. So rennen wir nicht einfach über die Straße, um auf der anderen Seite einen Vogel zu beobachten. Wir wissen, dass wir zuerst auf die Autos achten müssen. Doch den Vogel könnten wir uns anschließend trotzdem genauer anschauen. Hand aufs Herz: Tust du das, wenn du ohne dein Kind unterwegs bist? Eher unwahrscheinlich. Doch genau das sollten wir machen. Es schadet nicht, ab und zu die Welt durch die Augen unserer Kinder zu betrachten.

Fantasie entfalten
Im Beruf oder im Alltag brauchen wir oft kreative Lösungen. Hierfür können wir uns einiges von den Kleinen abschauen. Ist es nicht faszinierend, wie unser Nachwuchs im Rollenspiel voll und ganz in eine andere Welt eintaucht? Da wird die Couch zu einem riesigen Berg, unter dem Tisch breitet sich eine geheimnisvolle Höhle aus und ein Tuch über der Schulter verwandelt sich in einen kraftvollen Superman-Umhang. Kinder entwickeln im Rollenspiel stundenlang neue Szenarien in ihren Köpfen. Also, spiel einfach mit und gib dich deiner Fantasie hin. Das hilft dir, auch in anderen Situationen kreative Lösungswege zu finden.

Kleine Dinge schätzen
Kommen wir nochmal zum Vögelchen auf der anderen Straßenseite zurück. Klar, hast du diese Vogelart schon tausendmal gesehen. Aber beobachte dein Kind, wie gebannt es das Tierchen betrachtet. Es ist begeistert, wenn der kleine Kerl an einem Grashalm zupft. Bleib doch beim nächsten Spaziergang bewusst stehen und tu es deinem Kind gleich. So eine Tierbeobachtung ist übrigens unheimlich entspannend. Oder sieh dich auf beim Weg zur Arbeit genau um. Du wirst überrascht sein, welche neuen Dinge du entdeckst.

Den Moment erleben
Achtsamkeit ist in aller Munde. Wir besuchen Seminare und lesen Bücher, um im Hier und Jetzt zu leben. Dabei sitzen die besten Coaches direkt neben uns – unsere Kinder. Sie können sich stundenlang in Bewegungsspiele vertiefen, das Wasser auf ihrer Hand bewusst wahrnehmen und dem Rauschen der Blätter zuhören. Dafür brauchen sie keinen teuren Meditationskurs. Sie machen es, ohne darüber nachzudenken. Sie setzen sich ins weiche Gras und lauschen den Geräuschen um sie herum. Ab und zu sollten wir uns daneben setzen und einfach den Moment genießen.

Offen sein
Bevor Kinder von Erwachsenen beeinflusst werden, begegnen sie fremden Menschen ohne Vorurteile. Es interessiert sie nicht, wo die Person herkommt oder was sie macht. Für die Kleinen sind alle Menschen gleich. Wir haben dagegen oft schon vorgefertigte Bilder von bestimmten Personen im Kopf. Da ist zum Beispiel die neue Kollegin, über die wir schon so viel Schlechtes gehört haben. An den Gerüchten wird schon was dran sein. Also nehmen wir lieber Abstand von ihr. Wenn es uns aber gelingt, wie unsere Kinder offen auf andere zuzugehen und mehr über diese Menschen zu erfahren, eröffnen sich viele wundervolle Chance. Wer weiß, welche wertvollen Kontakte sich ergeben, wenn wir es nur zulassen.

Hilfe zulassen
Der Deckel will einfach nicht auf die Kiste mit Holzspielzeug. So sehr unser Kind es versucht, es gelingt nicht. Das ist ärgerlich. Klar. Doch was macht der Nachwuchs? Er läuft mit dem Holzspielzeug zu den Eltern oder einem anderen Erwachsenen und bittet um Hilfe. Sie fordern diese ein. Und was machen wir, wenn wir etwas nicht schaffen? Wir haben den Anspruch, es allein zu durchzuziehen. Es dauert lange, bis wir die Schwäche eingestehen und um Unterstützung bitten. Warum eigentlich? Unsere Kinder tun es doch auch. Verlieren wir deshalb den Respekt vor ihnen? Eher nicht. Es ist vielmehr eine Stärke zuzugeben, dass wir etwas nicht können. Um uns herum gibt es viele Menschen, die uns bereitwillig unterstützen. Übrigens auch unsere Kinder. Bitten wir sie ab und zu um Mitwirkung, wächst gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein.

Und wie wir nun wissen, kann uns unser Nachwuchs helfen, die Welt wieder offen und bewusst zu erfahren. Sei es im Rollenspiel, beim Beobachten der Natur oder bei Bewegungsspielen. Wenn wir den Erwachsenenplatz ab und zu verlassen und uns die Kinder als Vorbild nehmen, ergeben sich wundervolle Momente und Erlebnisse. Denn wer ist gelassener, freier und unabhängiger als die Jüngsten unserer Gesellschaft?

Martina Pyk